Die schönsten und aufwendig gestalteten Murals in Belfast findest Du in diesem Reisebericht.
Belfast ist ohne Zweifel die Hauptstadt der Murals. Diese aufwendig gefertigten Wandgemälde und Wandmalereien sind eine besonders lebendige Kunstform, die oft komplexe Themen mit der Hilfe von Streetart erklären. Sie sind auch Träger politischer und ideologischer Überzeugung. Sie fungieren als eine Brücke zwischen vergangener Zeiten und der Gegenwart. Die Murals von Belfast sind weltweit einzigartig. Während die Besucher der Stadt zum Geburtsort der RMS Titanic pilgern und im besten Fall im Zentrum schlendern, erwartet den neugierigen Besucher vor allem in den Außenbezirken diese Art der Geschichtserzählung. Das Hauptthema stellt klarerweise die unbewältigte Vergangenheit von Belfast dar. Die Wunden, die der Nordirlandkonflikt - besser bekannt als „the Troubles“ - verursacht hat, sind bis heute präsent. Die Murals verewigen Szenen und Momente, aber auch Protagonisten aus diesen Jahren. Sie mahnen, erinnern und klagen zugleich. Im Grunde genommen sind sie pro-britisch (Unionisten) oder pro-irisch (Republikaner) eingestellt. Wo stehen die schönsten Murals in Belfast? Darauf gibt es keine exakte Antwort, denn in Belfast sind davon viele hunderte quer durch die Stadt zu finden. Wir waren sowohl in West- als auch in Ost-Belfast dort unterwegs, wo sich besonders viele dieser Wandmalereien gruppieren. Wir möchten Dich auf eine Tour in die Fall Street und anschließend zum Newtownards Road einladen.
Die Bobby Sands Mural ist sowas wie ein Kilometer Null der Fans von Wandmalereien. Wir sind in West-Belfast, entlang der berüchtigten Fall Street unterwegs. Es ist empfehlenswert, diesen Ort tagsüber aufzusuchen, dazu einfach die Metro-Linie 10 (pinkfarbene Busse) nehmen, bis auf die Höhe des Dunville Parks (Haltestelle „Clonard“) fahren und anschließend langsam in Richtung Innenstadt zurücklaufen. Die Bobby Sands Mural ziert die Brandwand der Partei Sinn Féin an der Ecke Fall St./Sevastopol St. Das riesige Porträtgemälde von Bobby Sands ist kaum zu übersehen. Bobby war ein Schriftsteller und Mitglied der Irischen Republikanischen Armee, kurz IRA, und starb im Alter von 27 Jahren nach einem 66-tägigen Hungerstreik im berüchtigten H-Block des britischen Maze-Gefängnisses. Einen Großteil seines kurzen Lebens verbrachte er hinter Gittern, wo er sein Tagebuch auf Klopapier schrieb, was er nach und nach rausschmuggeln konnte. Bobby Sands ist für Unionisten ein Unruhestifter, für die Republikaner ein Märtyrer. Sein Schicksaal verdeutlicht aber unmissverständlich die ungelöste nordirische Frage.
Der Garten der Erinnerung befindet sich unweit von Bobby Sand Mural auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Der Weg dorthin ist von mehreren kleineren Wandmalereien und Installationen verziert. Rechter Hand findest Du ein Denkmal für die Opfer des H-Blocks, (darunter ein Foto von Bobby) die im Zuge des Hungerstreiks in den 1980er Jahren verstorben sind. Die Inhaftierten wollten mit diesem Verzweiflungsakt den Status des politischen Gefangenen erreichen, was die britische Besatzung bis dahin kategorisch zurückwies. Im Garten selbst sind mehrere Plaketten und eine große Mural mit ermordeten Sympathisanten sowie Mitglieder der IRA abgebildet. In der Mitte der Gartenanlage erhebt sich hingegen ein Denkmal in Erinnerung an die gefallenen IRA-Kämpfer.
Folgst Du der Straße vom Garten der Erinnerung bis hin zur Kreuzung Fall St./Northumberland St., so werden Dir zuerst die unzähligen Plakate und Gedenkplaketten und anschließend eine große zusammenhängende Freilichtgalerie auffallen. Hier reihen sich nebeneinander dutzende Murals, die den Nordirlandkonflikt thematisieren. Bobby Sand, die Opfer des H-Blocks, die „Dirty Protesters“ sind hier ebenso zu sehen wie Opfer von Gewaltexzessen und Straßenschlachten. Darüber hinaus werden historische Themen wie die irische Unabhängigkeitsbewegung 1916-1922, aber auch ausländische Protagonisten und Völker wie Palästina oder Südafrika aufgegriffen.
Die Mauer des Friedens liegt lediglich einige Gehminuten von hier entfernt. Vom Ernst der Lage zeugt ein großes Tor, dass die protestantisch bewohnten Straßen in diesem katholischen Bezirk von Überfällen schützen sollte. Es ist auffällig, wie schnell sich die Thematik der Murals nach Passieren dieses Tores verändert: die Loyalität zur britischen Krone und das Pflichtbewusstsein der Untertanen als Soldaten treten dabei besonders in Vordergrund. Besonders prekär: als „Gegenspieler“ der palästinischen Karte wird hier das israelische Militär hochgepriesen. Die Mauer des Friedens weist zwar weniger schön gestaltete Kunstwerke auf, ist aber einen Besuch wert, weil sie bis heute als Trennmauer zwischen den beiden Parteien fungiert.
Auf der anderen Seite der Stadt, im protestantischen Ost-Belfast sind nicht weniger schön und aufwendig gemalte Murals zu finden, die über den Nordirlandkonflikt erzählen. Die aufregendste Kombination findest du an der Ecke Newtownards Road/Dee Street. Dazu einfach die Metro-Linie 3 bis „Dee Street“ nehmen und sofort mitten drin ankommen. Innerhalb weniger Meter stehen hier gleich vier große Murals. Die beiden Murals East Belfast Battailon und die Young Citizen Volunteers zeigen maskierte, mit automatischen Gewehren ausgerüstete pro-britische Paramilitärs. Direkt dahinter ist eine imposante Wandmalerei zu sehen, die das Schicksal der RMS Titanic sowie deren Erbauers, der Werft von Harland and Wolff thematisiert. Wir waren von dem Flair dieser Murals ganz verblüfft. Jedenfalls ist dies eine Erfahrung gewesen, die auch den erfahrensten Touristen überrascht.
Die Loyalität zur britischen Krone und der Militärdienst im Heer Seiner Majestät sind auch entlang des Newtownards Road omnipräsent. Wir hatten das Gefühl, dass Ost- und West-Belfast wie ein umgekehrtes Spiegelbild funktionieren, denn auch hier sahen wir einen kleinen Garten der Erinnerung und zahlreiche Murals und Plakaten, die von Übergriffen der IRA berichten und die eigenen Leute ehren. Die Rolle der Täter und Opfer steht jener in West-Belfast gegenüber.
Weiter stadteinwärts steht der Freedom Corner mit reich verzierten Hausfassaden und Zäunen. Die Besitzer stellen an diesem Ort unmissverständlich klar, was sie von einem vereinten Irland halten: das Porträt der Königin, die Standarte des britischen Königshauses und Murals von pro-britischen Paramilitärs lassen wissen, dass East-Belfast weiterhin eine Zukunft in Großbritannien anstrebt.
Belfast ist unglaublich stolz darauf, der Heimatort der RMS Titanic zu sein. Eine der schönsten Murals in Belfast stellt wenig überraschend das „Schiff der Träume“ dar. Die detailreich, mit viel Liebe gestaltete Mural zeigt in der Mitte den berühmtesten Liniendampfer aller Zeiten. Auch interessant ist die Konstellation zu einem anderen Kunstwerk im Hintergrund, welche zwei Kinder, die einander die Hände reichen. Die Mural „No More“ (Nie wieder) verbindet aus gewisser Hinsicht alle Wandgemälde des Inhalts Nordirlandkonflikt und vermittelt den Wunsch von Belfast nach einer friedlichen Lösung. Die Botschaft dieser Mural ist höchst emotional und zusammen mit der Titanic und den beiden gelben, etwa 90 Meter hohen H & W-Kräne Samson und Goliath ein echter Belfaster Hingucker.
Unser Fazit: Die Murals in Belfast gewähren seltene, überaus intime Einblicke in die Vergangenheit der nordirischen Hauptstadt. Sie halten zugleich die Erinnerung an diese Ereignisse wach. Sie sind Mahnmale. Stumme Zeugen, die trotz alledem viel zu erzählen haben: über Stolz, Schmerz und Hoffnung.
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